Wie es sich für ein Pokalspiel gehört, laufen beide Teams gemeinsam ein.
Es ist Samstag, der 1. Juni und endlich ist der große Tag für die Kinder der E-JSG Filsum/Detern gekommen. Der Tag des Endspiels um den Kreispokal. Nach tollen Pokalspielen gegen die 1. Mannschaft vom SV Nortmoor/Brinkum/Holtland, Concordia Ihrhove und die Auswahl von Völlen/Völlenerfehn/Völlenerkönigsfehn geht es nun im Endspiel gegen die 1. Mannschaft des FTC Hollen. Anstelle das Spiel in Lammertsfehn, Uplengen oder einem anderen Verein der nahen Umgebung auszutragen, sind die benachbarten Teams jedoch gezwungen, ganz nach Middels, was hinter Aurich liegt, zu fahren. Aber eigentlich ist das ganz gut so.
Der Troß der JSG Filsum/Detern auf dem Weg zum Sportgelände des TuS Middels
Denn so eine lange Anreise erhöht nicht nur den Stellenwert eines Finales. Nein, es bietet auch die Gelegenheit gemeinsam mit den Eltern, Geschwistern, Freunden und Fans in einem Bus zum Endspiel zu fahren. Erst sollte es nur ein Bus für 50 Personen sein, aber schnell wurde erkennbar, dass 50 Plätze einfach zu wenig sind. Also wurde ein Bus für 75 Personen bei Wissmann-Reisen bestellt. Die Kosten für den Bus übernahmen die Vereine Blau-Weiß Filsum und TuS-Detern. Es hieß, ein Ziehharmonikabus würde kommen. Also ein Bus, wie ihn die älteren Kinder schon von der Fahrt zur Schule kennen und irgendwie nicht besonderes. Aber egal, wichtig ist nur was drin steckt.
Und jetzt fährt da plötzlich dieser Riesenbus auf den Filsumer Buswendeplatz ! Ein Doppeldecker! Anscheinend nagelneu und auch noch in blau! Was für ein geiles Teil. Die Kinder, die bereits da sind, stürmen ihm mit Begeisterung entgegen. Jeder versucht als erster in den Bus zu gelangen um oben in der ersten Reihe sitzen zu können.
Kinder, die mit dem Auto ihrer Eltern etwas später eintreffen, springen aus dem Auto und rennen, natürlich ohne Sporttasche, die können die Eltern ja nachbringen, zum Bus. Der Trainer, der nur das Spiel im Kopf hat und sich bereits vorher wegen der möglichen Nervosität der Kinder Gedanken gemacht hatte, freut sich, dass die Kinder anscheinend gar nicht mehr an das Finale denken, sondern im Moment nur an die bevorstehende Fahrt in diesem Traum von einem Bus.
Wie zuvor angekündigt beginnt pünktlich um halb zehn die Fahrt. Alle Kinder sind noch hellauf begeistert und genießen, sofern sie einen Platz in der oberen Etage ergattern konnten, den Blick von oben. Neuzugang Yullaino Wagelaar, der neben dem Trainer sitzt, meint er hätte noch nie in seinem Leben in einem so großen Bus gesessen. Von hier oben sei ja alles viel kleiner. Kaum hat er dies ausgesprochen, meldet sich Trainer Peter Peters zu Wort. Peter, der sich um die Organisation der Fahrt gekümmert hatte, begrüßt die Gäste und weist darauf hin, dass er gleich einen Hut durch den Bus reichen würde, in dem die Erwachsenen Geld für Verköstigungen nach dem Spiel spenden können. Vielleicht lag es am sehr feschen Hut von Peter, vielleicht an der guten Stimmung oder tatsächlich einfach nur am guten Zweck. Im Hut sollten am Ende knapp 170 Euro landen!
Zahlreiche Zuschauer unterstützen die JSG
Die Fahrt verläuft ohne Probleme und für die Kinder wie im Flug. Nicht wegen der Höhe des Busses, sondern weil ständig irgendetwas neues und furchtbar aufregendes geschieht. So wird jede enge Kurve von den Kindern in der ersten Reihe bejubelt oder jedes gelbe Auto aus einem unerfindlichen Grund gefeiert. Der Trainer fragt sich, was wohl los wäre, wenn der Bus an einer Postzentrale mit vielen gelben Postautos vorbeifahren würde. Selbst ein Stau in Aurich senkt nicht die Begeisterung. Jetzt kommt es plötzlich zu einem Wettrennen. Immer wieder schauen die Kinder nach links aus dem Bus um zu sehen, wer wohl schneller ist: Der Bus oder eine ältere, blau gekleidete Frau auf einem Rad. Zwischenzeitlich ist es ein enges Rennen, aber nun besitzt die alte Dame einen beträchtlichen Vorsprung. Der Bus fährt sehr langsam und Yullaino fragt, ob man vielleicht zu spät zum Spiel komme. “Nein, wir können nicht zu spät kommen”, meint sein Trainer. “Wieso?”, fragt Yullaino. “Naja, ohne uns können sie nicht anfangen”, erhält er vom grinsenden Trainer als Antwort.
Selbst Plakate wurden für unsere Jungs erstellt
Yullaino stellt diese doch etwas blöde Antwort nicht zufrieden, aber bevor er etwas erwidern kann, gibt es wieder einen Aufschrei in der ersten Reihe. Der Bus hat die alte Dame eingeholt und lässt sie jetzt immer weiter hinter sich zurück. Der Stau hat sich aufgelöst. Jetzt werden wieder gelbe Autos gesucht oder es wird nach sonstigen Besonderheiten Ausschau gehalten. Und wenn davon nichts zu sehen ist, singen die Kinder gemeinsam “Scheiße, Scheiße HSV” und schauen lachend zum Trainer. Schließlich ist der Trainer ja HSV-Fan und es macht halt immer einen Riesenspaß ihn zu ärgern. (Und warum sollten die kleinen Filsumer auch anders ticken als die erwachsenen Filsumer?)
Der Bus ist in Middels angekommen und bleibt vor der Einfahrt zum Vereinsgelände des TuS Middels stehen. Der Sportplatz selbst ist vom Vereinsheim verdeckt und nicht zu sehen. Nur die Flutlichtmasten sind ein Hinweis darauf, dass sich hinter dem Gebäude wohl der Fußballplatz befindet. Aber der Platz ist den Kindern im Moment auch ziemlich unwichtig. Erstmal muss der Bus der Hollener gefunden werden. Es stehen mehrere Busse in der Nähe. Aufgrund der Nummernschilder kann es jedoch kaum der Bus des Gegners sein. Aber eigentlich ist das ja auch ganz egal. Denn einen besseren Bus als die JSG können die Hollener gar nicht haben.
Nachdem alle aus dem Bus ausgestiegen sind und sich in Richtung des Vereinsheims begeben, wird den Kindern langsam wieder bewusst, warum sie eigentlich hergefahren sind. Sie werden ruhiger und eine leichte Anspannung breitet sich unter ihnen aus. Das betrifft natürlich nur die Spieler. Alle anderen Kinder freuen sich darauf, was es außer dem Sportplatz noch alles hinter dem Vereinsheim von Middels zu entdecken ist. Gibt es da ein Spielplatz? Kann man da Eis oder eine Cola kaufen? Vielleicht besitzt dieser Sportplatz ja sogar einen Stand mit Pommes. “Zehn Euro habe ich von meine Eltern mitbekommen. Wenn die Pommes haben, kaufe ich mir gleich eine”, meint Lucas Wurps zu seinem Trainer. “Dann kannst du mir ja nach dem Spiel eine Portion ausgeben”, antwortet ihm dieser.
Lukas Rohling köpft zum 1:2 ein
Ein Offizieller des TuS Middels begrüßt den Troß der Filsumer und Deterner und fragt, ob man sich in einer Kabine oder einem Zelt umziehen möchte. Die Kabine sei aber bereits durch ein Team besetzt, das zur Zeit ein Spiel bestreiten würde. Man müsse sich den Raum also teilen. Da eine Kabine natürlich mehr Komfort bietet und auch nicht jeder hören muss, was man sich so vor dem Spiel oder in der Halbzeit erzählt, fällt die Entscheidung auf die Kabine.
Dort angekommen wird die Trikottasche auf den Tisch gestellt und geöffnet. Die eigentlich den Spielern bereits bekannten Trikotnummern werden verlesen und jedes Kind sucht umgehend nach seinem Trikot. Jarno ist als erster umgezogen und begibt sich umgehend auf den Weg zum Sportplatz. Seinem Trainer gelingt es gerade noch, ihn aufzuhalten: “Moment, Moment. Hiergeblieben. Erst kommt die Aufstellung und dann gehen wir gemeinsam auf den Sportplatz“. Jarno dreht um und wartet bis die anderen umgezogen sind. Seine Ungeduld steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zu gerne würde er jetzt rausrennen und alles auskundschaften. Aber dann würde er ja nicht wissen, ob er in der Startelf steht. Warum ziehen sich die anderen nur so langsam an und wann beginnt der Trainer endlich seine Ansprache?
Dieser holt seinen Schmierzettel mit Stichpunkten zur Rede raus. Normalerweise macht er sowas schon seit Jahren nicht mehr, aber diesmal soll kein Punkt vergessen werden. Es wird darauf hingewiesen, was man schon alles geschafft und erlebt habe und allein der Finaleinzug ein Riesenerfolg sei. Man habe hier also nichts zu verlieren. Verlieren könne hier nur Hollen. Hollen sei hier der klare Favorit. Anschließend teilt der Trainer den Spielern ihre Positionen und Aufgaben mit. Während er mit den einzelnen Kindern spricht, wirken diese konzentriert und schauen ihn an. Trotzdem beschleicht den Trainer das Gefühl, dass seine Worte vollkommen sinnlos sind. Die Mitteilung der Positionen ist gerade noch das, was die Kinder in ihrer Aufregung und Anspannung verarbeiten können.
Leider ging dieser Schuß von Jarno knapp am Tor vorbei
Zwei Wochen vor dem Finale hatte der ältere Jahrgang der JSG am Regionsturnier in Timmel teilgenommen. Die besten Mannschaften Ostfrieslands machten dort unter sich aus, wer zur Finalrunde in Barsinghausen fahren darf und dort den Niedersachsenpokal gewinnen kann. Alles wirkte furchtbar ernst, konzentriert und fast schon einschüchternd. Und als zu sehen war, wie professionell die Kinder der anderen Teams ihr Aufwärmtraining bestritten, entschied man sich, nicht so mit den Kindern umzugehen und zum Aufwärmen Ticken zu spielen.
Seitdem spielt die JSG 1 vor jedem Spiel Ticken und auch in Middels wird daran nichts geändert. Für die Verstärkungen aus der JSG 2 ist dies neu und die Kinder schauen etwas verdutzt, als Ticken zum Aufwärmen angekündigt wird. Und obwohl so ein Aufwärmen ungewohnt ist, zeigen sie vollen Einsatz. Den müssen sie aber auch zeigen, denn zur großen Freude der Kinder werden ihre Trainer Holger Wollenberg und Peter Peters als Ticker bestimmt.
Es wird natürlich nicht nur Ticken gespielt. Etwas Passspiel im Kreis und vor allem der Torabschluss gehören weiterhin zum Aufwärmprogramm. Während die Kinder den Torabschluss üben, nähert sich ein Offizieller. Er fragt, ob man gemeinsam mit dem Schiedsrichter einlaufen möchte? Was ist denn das für eine Frage? Natürlich. Das gehört sich doch so für ein Endspiel.
Jarno Specht und Elias Willms versuchen vor einem Hollener am Ball zu sein
So treffen sich beide Teams etwas außerhalb und laufen unter dem Jubel ihrer Fans, genauso wie die Profis vor einem DFB-Pokalfinale, nebeneinander her auf das Spielfeld. Einige Spieler klatschen mit, einige strahlen über das ganze Gesicht und einigen ist anzusehen, dass ihnen das alles irgendwie unangenehm ist. So viele Zuschauer und alle schauen gleich zu, wie man Fußball spielt. Es folgt die begrüßung und das Spiel kann beginnen.
Beiden Mannschaften ist die Nervosität deutlich anzumerken. Pässe landen beim Gegner, einfache Bälle können nicht gestoppt werden und im Stellungsspiel verhalten sich die Kinder nicht annähernd so klug wie in gewöhnlichen Spielen.
Trotz dieser Probleme beginnt die Partie gut für die JSG. Gleich dreimal in den ersten zehn Minuten konnte sich Finn-Luca Harms auf der linken Seite durchsetzen und vor das Tor flanken. Und jedes Mal fehlte nicht viel und Stürmer Lukas Rohling hätte den Ball im Tor untergebracht.
Mit etwas mehr Übung hätte Lukas “die Dinger” wahrscheinlich gemacht. Aber die Position des Stürmers ist für Lukas sehr ungewohnt. Erst im letzten Spiel gegen Leer wurde er zum ersten Mal von Beginn an in der Offensive eingesetzt. Und da er den Tabellenführer Leer in der ersten Halbzeit praktisch im Alleingang aufmischte, zwei Tore erzielte und den Gegner mit viel Laufeinsatz im Spielaufbau störte, spielt er auch in Middels als Stürmer. Drei Torchancen gleich zu Beginn. Es sieht gut aus. Die Fans der JSG haben allen Grund optimistisch dem weiteren Spielverlauf entgegen zu blicken.
Aber warum muss der Fußball bereits in der E-Jugend so grausam sein? Ein langer Ball, wie er von der Abwehr der JSG sonst problemlos geklärt wird, kann nicht abgefangen werden. Ein Verteidiger schlägt am Ball vorbei und der Ball landet beim Stürmer des FTC Hollen. Allein vor dem Tor verwandelt die gegnerische Sturmspitze eiskalt zum 0:1.
Und als wäre dieser unnötige Rückstand nicht schon ärgerlich genug, kommt es wenige Minuten noch schlimmer. Ein einfacher Torschuss von rechts auf den kurzen Pfosten rutscht zwischen dem Torhüter Lias Flocken und dem Pfosten ins Netz. Im Training, in jedem Spiel hätte Lias einen solchen Ball mit Leichtigkeit geklärt und gerade jetzt, in dem wichtigsten Spiel der Saison, muss dies passieren?
Trotz des unverdienten 0:2 bleiben die Kinder gefasst und versuchen weiter das Spiel für sich zu entscheiden. Aber es ist einfach nicht der Tag der JSG. Jetzt muss Lorenz Meyer, der Libero und Kapitän der JSG vom Feld und behandelt werden. Die Mannschaft wird umgestellt. Lukas kommt zurück in die Abwehr und Elias Willms wird zum Libero. Eingewechselt wird Hannes Blank. Erst diese Gegentore, jetzt muss der Kapitän der JSG vom Platz genommen werden, den Kindern der JSG bleibt keine Möglichkeit, sich zu beruhigen und zu zeigen was sie wirklich können.
Elias Willms am Ball
Zum Ende der ersten Halbzeit hin, scheint sich die Situation jedoch zu bessern. Lorenz kann wieder auf das Feld und die Spieler aus Filsum und Detern scheinen die Niederschläge verdaut zu haben. Es gibt Eckball für die JSG. “Dieser Ball wird ja wohl hoffentlich nicht wieder zur gegenüberliegenden Eckfahne fliegen”, werden sicherlich viele Fans gedacht haben, nachdem etliche Ecken weit am Tor vorbei flogen.” Jarno Specht legt sich den Ball zurecht und tritt an. Der Ball fliegt in Richtung des zweiten Pfostens und Lukas Rohling köpft zum 1:2 ein. “Ich hab’s doch gewusst!”, schreit sein Trainer auf während alle Spieler und Anhänger der JSG lautstark jubeln. Der Schiedsrichter pfeift zur Halbzeit und trotz Windstille und drückender Hitze geht es mit viel Rückenwind in die Kabine!”
In der Kabine angekommen, heißt es erstmal Platz nehmen und zur Ruhe zu kommen. Das gilt nicht nur für Spieler, sondern auch für den Trainer und seinen Kollegen Peter. Bereits auf dem Weg zur Kabine hatte dieser nachgedacht und mit Peter diskutiert, wie und ob er wechselt. In den letzten Minuten wirkte die Abwehr eigentlich auch ohne Lorenz recht stabil. Und wenn Lorenz stürmen würde, wäre ein Tor praktisch garantiert. Schließlich schießt Lorenz selbst als Libero in jedem Spiel mindestens ein Tor.
Die verschiedensten Varianten jagen dem Trainer durch den Kopf. Aber eines stört ihn ungemein. “Warum müssen Hannes und Mattes mich jetzt so anschauen? Wie soll man denn bei so einem Blick nicht nachgeben? Sie zwingen mich ja förmlich, sie zur zweiten Halbzeit zu bringen. Ok, auf Hannes war bis jetzt immer verlass, der wird sich für das Team die Seele aus dem Leib rennen. Ihn setze ich nach hinten wie im Pokalspiel gegen Nortmoor und Jarno mit seinem starken Linksfuss rückt vor ins Mittelfeld. Das sollte klappen.” Seine eigene, schmerzhaft erlernte Grundregel, eine funktionierende Abwehr nicht mehr umzustellen, wird nach der Unruhe in der ersten Halbzeit und dem Stress in der Pause komplett ignoriert.
“Was ist mit Mattes? Mattes ist auch sehr torgefährlich. Besonders in der Hinrunde war er der Hammer. Bringe ich ihn für Lasse? Lasse war im ersten Durchgang nicht annähernd so gut wie sonst. Gegen Ihrhove und Völlen wurde er in der zweiten Halbzeit richtig stark. Wenn er auf Touren kommt , ist er nicht mehr zu stoppen. Aber wenn ich ihn anschaue, der armen Kerl. Wie fertig er aussieht. Eigentlich müsste ich ihn auswechseln. Er wirkt richtig müde und kaputt. Drauflassen oder Auswechseln? Ach, ich lasse Lasse drauf. Die zweite Halbzeit ist immer besser.” Er wendet sich an Mattes und sagt zu ihm: “Mattes, du bist heute mein Joker und machst das entscheidende Tor, ok?” Mattes nickt.
Nachdem die Entscheidungen gefallen sind, geht es zurück auf das Spielfeld. Auf dem Weg begegnet dem Team der Staffelleiter Edzard Wolthoff. Um irgendetwas zu sagen und im Glauben mit dieser Offensive das Spiel für sich zu entscheiden, sagt der Trainer auf plattdeutsch “Nu komen we!” Kaum ausgesprochen beschleicht ihn aber das Gefühl, dass er sich da vielleicht etwas einreden könnte und aus seiner Bauchgegend grummelt es ständig “Irgendwas passt nicht, irgendwas passt nicht!”
Kurz nach Anpfiff der zweiten Halbzeit wird schnell klar, was nicht passt. Nach der Umstellung wirkt die Abwehr deutlich unsicherer als vor der Pause. Fast genau wie vor dem ersten Gegentor schlägt ein Verteidiger am Ball vorbei und gibt dem Stürmer des FTC Gelegenheit das 1:3 zu erzielen.
Einwechslung von Hannes Blank. Peter Peters gibt letzte Anweisungen
Trotz des frühen Dämpfers nach der Pause gibt sich die JSG nicht geschlagen. Lorenz setzt sich immer wieder durch, aber es soll einfach nicht sein. Selbst wenn alle ausgedribbelt sind und er auf das leere Tor schießt, kommt noch eine Hollener angerauscht und klärt den Ball mit dem Bauch. Es ist zum verzweifeln.
Trotz der Chancen für die JSG ist Hollen, natürlich beflügelt durch das 1:3, in der zweiten Halbzeit das bessere Team. Die Spieler der JSG bemühen sich zwar wie sie nur können, das Spiel wieder an sich zu reißen, aber es gelingt nicht. Diese dritte Tor, die vergebene Torchancen, all das muss erstmal verdaut werden. Und das alles unter dem Blick von so vielen Zuschauern. “Papa, wenn so viele Leute zuschauen, kann ich einfach nicht spielen”, antwortet Lasse Peters auf die Frage seines Vaters Peter, was denn mit ihm los sei.
Und schließlich kommt es zur entscheidenden Szene des Spiels. Auf der linken Seite des Spielfeldes, ungefähr auf der Höhe der Mittellinie, tritt ein Hollener Spieler gegen den Ball und schießt einen hohen Ball auf das Tor der JSG. Es ist ein sehr hoher Ball, der eine Ewigkeit in der Luft zu sein scheint. Mehr als eine Ewigkeit. Es wird ruhig unter den Zuschauern, jeder hebt den Kopf und blickt nach oben. Ein männliche, harte und stumpf wirkende Stimme ruft plattdeutsch: “De geit rin!” “Was soll das denn?”, denkt der Trainer. “Das sind Kinder! Wie kann man nur sowas rufen? Der geht doch über das Tor, oder? Und wenn nicht, hat Lias ihn bestimmt. So gut wie er im Tor ist. Er hat ihn doch, oder? Nein er hat ihn nicht”.
Alle Hollener Fans und Spieler jubeln laut voller Begeisterung. Mit diesem Tor ist die Entscheidung gefallen. Davon erholt sich die JSG nicht. Lias steht allein vor seinem Tor und kämpft mit den Tränen. Sein Vater und Holger Wollenberg eilen zu ihm um ihn zu trösten. Oliver Kahn konnte einem nach seinem Fehler im WM-Finale 2002 ja leid tun. Aber dies hier ist viel schlimmer. Das ist brutal.
Kurzes Zusammenkommen und Trösten nach dem Spiel im Schatten hinter dem Tor.
Ausgerechnet Lias muss heute so viel Pech haben. Er, der zu jedem Training kommt, selbst wenn er nur einen Teil des Trainings mitmachen kann, weil er vorher zum Zahnarzt musste. Der wahrscheinlich krank und mit Fieber zum Viertelfinale nach Ihrhove gekommen wäre, wenn seine Mutter das nicht verhindert hätte. Gerade er, wo einer seiner besten Freunde bei Hollen spielt. Das darf doch alles nicht wahr sein.
Faire Geste: Lias wird von einem Hollener getröstet.
Von nun an fehlt dem Spiel der JSG jegliche Struktur und Ordnung. Bereits zu Beginn des Spiels zeigte sich, dass der FTC als Team eingespielter und geordneter wirkte als die JSG.
Der Grund ist, dass die Spieler der JSG nur ein Mix der vermeintlich besten Spieler der JSG 1 und JSG 2 sind. Nur drei Spiele wurden bislang gemeinsam seit dem letzten August ausgetragen. Da fehlt natürlich die Abstimmung. Und nun, nach dem 1:4, liegen die Nerven der Spieler blank und jedes Selbstvertrauen und Konzentration hat sich in Luft aufgelöst. Es braucht nicht lange und Hollen erhöht auf 1:5 und sogar 1:6. Dem Trainer der JSG geht es nur noch darum den Schaden zu begrenzen und sein Team vor einen totalen Blamage zu schützen.
Glücklicherweise zeigt sich der Trainer der Trainer des FTC Hollen, Holger Hanken, als fairer Sportsmann und nimmt seinen besten Spieler vom Platz.
Zum Ende gibt es jedoch noch einmal für die JSG einen kleinen Grund zur Freude. Der wieder eingewechselte Finn-Luca Harms hatte sich auf links durchgesetzt und mit einem platzierten Schuss den 2:6 Endstand hergestellt.
Müde, abgekämpft und am Boden zerstört. Spieler und Trainer sind sichtbar noch damit beschäftigt die Niederlage zu verarbeiten
So wie mit dem Schlusspfiff die Freude auf Hollener Seite keine Grenzen kennt, so enttäuscht wirken die Spieler der JSG. Kaum einem Kind gelingt es, die Tränen zurück zu halten. Viele müssen von ihren Eltern und Freunden getröstet werden. Für die Enttäuschung gibt es allen Grund. Jeden Gegner der vorherigen Pokalrunden hatte man deutlich besiegt und teilweise sogar vom Platz gefegt und nun dieses dumme, blöde Spiel. Zu keinem Moment konnte die Leistung aus den anderen Spielen gezeigt werden und was für unglückliche erste vier Tore. In einem normalen Spiel wären sie nie passiert. Es sollte einfach nicht sein. Die Siegerehrung lässt man teilnahmslos über sich ergehen. Wenigstens ruft niemand “Bitte lächeln!” als die Bilder der Siegerehrung geknipst werden.
Auf der Rückfahrt setzt sich der Trainer diesmal zwar nach oben, aber weiter nach hinten in den Bus. Auf so viel “Action” wie auf der Hinfahrt hat er noch keine Lust. Das Niederlage und vor allem die zweite Halbzeit müssen erstmal verarbeitet werden. Sein Satz “Nu kommen we” an den Staffelleiter geht ihm durch den Kopf. “Oh wie peinlich, hätte ich man die Klappe gehalten und was ist denn heute überhaupt alles schief gelaufen?”
Neben ihm, auf der anderen Seite des Ganges und direkt vor der Treppe nach unten, sitzen Lorenz Meyer und Lukas Rohling. Beide scheinen das Spiel bereits abgehakt zu haben und die Busfahrt liegt nun im Mittelpunkt ihres Interesses. Mit einer Prinzenrolle von DeBeukelaer in der Hand steigen sie immer wieder die Treppe rauf und runter. Fast so als wäre die Treppe der Eingang zu eine Höhle, in der es etwas zu erforschen gibt.
Auch bei den Erwachsenen bessert sich die Stimmung. Peter und Holger besprechen, was man jetzt in Filsum am besten machen könne. Sie einigen sich darauf, Familienpizzen für alle Kinder zu bestellen. Egal ob es gespielt hat, der JSG angehört oder einfach nur als Fan mitgefahren ist.
In Filsum angekommen stehen die Tische bereits vor dem Vereinsheim. Da die Spielerinnen der Damenmannschaft am Abend ihren Saisonabschluss feiern wollen, haben sie bereits die Tische vor das Vereinsheim gestellt.
Pizza für alle. Die Kinder scheinen es kaum abwarten zu können.
Dieser Umstand kommt natürlich sehr gelegen und die Mütter der Kinder beginnen die Tische zu decken. Teller und Gläser gibt es in der Küche des Vereinsheims und die Pizzen sollten eigentlich jeden Moment kommen. Es fehlen nur noch Getränke. Peter fragt den Trainer, ob man an den Getränkeraum des Vereinsheims kommen könne. “Nee, den habe ich nicht. Ich versuche Cola aufzutreiben. Holger, hast du Cola im Auto?“ “Nein,” antwortet dieser. “Ich habe wohl Getränke im Auto, aber keine Cola.”
Der Trainer fragt sich, wie und wo er jetzt Cola auftreiben kann. Die Kinder würden sich bestimmt über Cola freuen. Da Regina Cramer den Schlüssel zum Getränkeraum verwaltet, läuft er schnell zu ihr und klingelt an der Haustür. Es öffnet aber niemand. Zurück beim Vereinsheim steigt er ins Auto und fährt zum kürzlich eröffneten Markt in Filsum. Der ist zwar nicht sehr groß und nicht so billig wie andere Läden, aber Cola wird er ja hoffentlich anbieten. Glücklicherweise gehört Cola zum Sortiment des Geschäftes und der Trainer kann endlich mit einer Kiste Cola zurück zu den Kindern. Während er die Kiste vor sich her trägt, stellt er sich bereits vor, wie die Kinder sich freuen, wenn er mit der Kiste Cola um die Ecke kommt. Doch kein Kind beachtet ihn. Finn Schmidt, ist der erste, der ihn sieht und fragt: “Cola? Hast du nur Cola? Ich mag Cola nicht so gern. Hast du nichts anderes?”
Bevor der Trainer jedoch Gelegenheit bekommt, tief Luft zu holen, bemerken ihn die anderen Kinder und jubeln beim Anblick der Cola auf.
Die Wasserschlacht beginnt! Vier gegen einen ist unfair. Und Jarno sorgt bereits für Nachschub.
Während die Kinder an den Tischen sitzen und auf das Essen warten, haben sich einige bereits Bälle geschnappt und spielen wieder Fußball. Yullaino geht mit einem Ball unter dem Arm auf seinen Trainer zu und fragt, ob er denn die Medaillen dabei hätte. “Klar habe ich die dabei. Die liegen in meinem Auto. Willst du es nochmal versuchen? Schaffst du es jetzt, den Ball zehnmal hochzuhalten?“ Seit der Winterpause hatten die Kinder in jedem Training das Jonglieren mit dem Ball trainiert. Und zur Motivation wurde jedem Kind, dem es gelänge zehnmal den Ball hochzuhalten, eine Goldmedaille versprochen.
Kaum hat sich der Trainer mit seinem Beutel Goldmedaillen auf den Rasen gesetzt, gesellen sich mehrere Kinder dazu und versuchen den Ball zu jonglieren. Da die Regel gilt, dass Zeugenaussagen nicht gelten und der Trainer selbst sehen muss, wie man zehnmal den Ball hochhält, stellen sich alle Kinder direkt vor ihm auf und behindern sich gegenseitig beim Jonglieren. “So, ich sag jetzt den Namen, auf den ich achte und alle anderen müssen Platz machen. Jeder probiert dreimal und muss dann die anderen versuchen lassen. Ich habe den ganzen Tag Zeit und ihr könnt so oft probieren wie ihr wollt. Ihr habt also keinen Druck.”
Wer denkt bei so viel Spaß noch an die Niederlage! Peter versucht seinen Sohn Lasse nass zu machen. Lasse scheint es sehr zu gefallen.
Mittlerweile wurden die Pizzen geliefert und jedes Kind ist irgendwie beschäftigt. Sei es mit dem Essen von Pizza, dem Bolzen auf das Tor und dem Hochhalten des Balles. Aber Lukas Rohling scheint das alles nicht zu reichen. Er startet eine Aktion, die für viele Kinder zum eigentlichen Highlight des Tages werden wird.
Was Peter kann, kann Rene auch. Hier wird sein Sohnemann Diego nass gemacht.
Er füllt einen Eimer mit Wasser und schleicht sich langsam und vorsichtig von hinten an den auf dem Boden sitzenden und nichts Böses ahnenden Trainer heran. Während dieser sich auf ein Kind konzentriert und zählt wie oft es den Ball jongliert, schüttet ihm der Attentäter das eiskalte Wasser über Kopf und Rücken. Was für ein Schrecken! Aber es kommt noch viel schlimmer.
Jetzt wollen alle Kinder es ihrem Freund gleicht tun. Pizzen werden liegen gelassen, Gespräche abrupt beendet und Bälle zur Seite geschossen. Jedes Kind besorgt sich eine Flasche oder Eimer und startet einen Angriff. Alle anderen Trainer müssen auch herhalten. Peter, Holger under Rene werden nacheinander als Ziel auserkoren und nass gemacht. Es beginnt eine Wasserschlacht, wie sie das Filsumer Vereinsgelände wahrscheinlich noch nie gesehen hat.
Und da es nur vier Trainer bzw. Opfer gibt und sich diese gelegentlich unter das Vordach des Vereinsheims flüchten, beginnen die Kinder sich gegenseitig mit Wasser gefüllten Flaschen oder kleinen Behältern zu jagen. Für Finn Schmidt, Berufswunsch Lohnunternehmer und zukünftiger Gründer eines Lohnunternehmens names “Die Kornfresser” zählt eine leere Cola-Flasche oder ein kleiner Eimer nicht. Da muss was reelles her. Und wo immer er ihn auch gefunden haben mag, in seinen Kübel passt eine Menge Wasser! Mit dieser schweren und unhandlichen Bewaffnung ist er zwar langsamer als seine vergleichsweise leicht bewaffneten Gegner, aber wehe er hat einen Gegner gestellt. Dann heißt es für diesen “Land unter und hoffentlich wird Mama nicht böse wenn ich aussehe, als wäre ich mit Klamotten in einen Teich gesprungen.”
Bei der Jagd auf ihre Trainer erweisen sich die Kinder als erstaunlich hinterlistig. Zunächst starten zwei bis drei Jäger einen vermeintlich harmlosen Angriff. Dem Opfer geben sie Gelegenheit auszuweichen und sich sicher zu wähnen. Am Ende erlauben sich ihm sogar einen Griff nach der ohnehin schon fast leeren Flasche. Glaubt der Trainer sich nun siegesgewiss und sagt zu den Jägern “Das war wohl nichts”, schleicht ein weiteres Kind von hinten heran, zieht an der Halsöffnung des T-Shirts und entleert eine Flasche eiskalten Wassers unter dem Jubel seiner Gehilfen.
Eine kurze Verschnaufpause für die durchnässsten Trainer Peter und Holger.
Der Trainer kann sich zum Ende der Jagd wenigstens auf den TSD verlassen. TSD steht für Trainer-Schutz-Dienst und wurde von Hilko Focken gegründet. Hilko hat immer das gesamte Umfeld im Blick und verhindert so Angriffe im Rücken des Trainers. In der Woche zuvor bestand der TSD sogar aus zwei Mitgliedern, als auf der vorgezogenen Abschlussfeier Hannes Rossem-Künstner seinem Freund Hilko während einer Wasserpistolenschlacht half, Angriffe auf den Trainer zu vereiteln.
Zur Revanche versucht Jürgen seine Klamotten über Finn auszuwringen. Andere habe ihre Freude an dieser Szene.
Die Wasserschlacht findet und findet kein Ende. Zwischendurch stärkt man sich mit einem Griff nach einem Stück Pizza und sucht noch mit der Pizza in der Hand eines neues Opfer. Irgendwo muss doch noch jemand stecken, der noch nicht nass gemacht wurde. Die Trainer sind mittlerweile vollkommen durchnässt und aus der Puste. So eine Hetzjagd ist halt sehr anstrengend und kostet Kraft. Aber die Kinder finden einfach keine Ende und selbst Machtworte, doch bitte endlich es mit der Wasserschlacht sein zu lassen werden ignoriert. So bleibt letzten Endes nichts anderes übrig, als den Haupthahn für die äußeren Wasseranschlüsse des Vereinsheims zu schließen.
Mit dem Zudrehen des Haupthahns scheint auch die Feiner ein Ende gefunden haben. Vollkommen durchnässt, schmutzig und von viel leckerer Pizza gesättigt, verlassen die Akteure gut gelaunt das Vereinsgelände. Trotz der Finalniederlage war es ein unvergeßlich schöner Tag.